Zurück in die Zukunft

ein Artikel von unserem Vereinsmitglied Moritz, veröffentlicht am 31.10.2020

Die Präsidentschaftswahlen vom 18.10.2020

Bolivien durchlebt gerade keine einfachen Zeiten. Neben der COVID-19 Pandemie, die das Land schwer und unvorbereitet getroffen hat, mussten sich die Bolivianer*innen in den vergangenen Monaten zunehmend mit den näher rückenden Präsidentschaftswahlen beschäftigen. Politik ist in Bolivien, wie in ganz Lateinamerika, ein äußerst sensibles und polarisierendes Thema. Erst vor einem Jahr durchlebte die bolivianische Demokratie eine ihrer schlimmsten Krisen.

Evo Morales, Boliviens damaliger Präsident und seine Partei MAS (Movimiento al Socialismo), begingen Wahlbetrug und lösten damit eine schwere innenpolitische Krise aus, die mit dem Sturz Morales’ unrechtmäßiger Regierung endete. Eine unter Jeanine Añez geführte Not-, beziehungsweise Interimsregierung trat aus der Krise hervor, um das Land bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen zu stabilisieren. 

Am Sonntag dem 18. Oktober 2020 war es dann letztlich soweit: In Bolivien fanden die Präsidentschaftswahlen statt. Trotz des skandalösen Wahlbetruges präsentierte sich Luis Arce als Vertreter des MAS zu den Präsidentschaftswahlen. Luis Arce, ehemaliger Wirtschaftsminister unter Evo Morales, sollte es leicht haben gegen eine zerklüftete de facto Opposition. Luis Arce entschied die Wahl mit einer eindeutigen Mehrheit für sich. Die Auszählung der Stimmen ergab, dass sich Arce eindeutig mit 51,9% der Stimmen durchsetzte. Carlos Mesa, Vertreter der zweitstärksten Partei (Comunidad Ciudadana), erhielt lediglich 28,8% der Stimmen.

Die geschwächte Opposition

Zur Wahl präsentierten sich neben Arce (MAS), Carlos Mesa (Comunidad Ciudadana) und Luis Fernando Camacho (Creemos). Añez, bis dahin Boliviens Übergangspräsidentin, präsentierte sich überraschenderweise nicht zu den Wahlen, um die Wählerschaft nicht weiter zu fragmentieren. Carlos Mesa gilt als gemäßigter konservativer, der für eine liberalere Wirtschaft plädiert, welche Vorteile für alle Bolivianer*innen bringen soll. Vor allem einkommensstärkere Bolivianer*innen, die unter Morales sozialistischer Regierung einbüßen mussten, stehen hinter ihm. Camacho mit Creemos steht ebenso für ein offeneres Bolivien, welches seinen wirtschaftlichen Kern im aufstrebenden Santa Cruz de la Sierra haben soll. Obwohl sich Mesa und Camacho in ihren politischen Ideologien nahestehen, unterscheidet sie ihre Herangehensweise. Währen Mesa eher als gemäßigter konservativer gilt, ist Camacho mit seiner radikaleren Persönlichkeit und Santa Cruz-zentrierten Ideologie vor allem in den Tieflands Regionen beliebt. Aufgrund dieser Tatsachen haben sich Camacho und Mesa gegenseitig die Wählerschaften gestohlen. Das Resultat: eine fragmentierte Opposition unter der liberalen Wählerschaft.

Arces Sieg beendet einen kurzen politischen Ausflug

Nachdem sich Bolivien erst vor einem Jahr, teils gewaltsam, von der MAS-Regierung getrennt hatte und der Weg in Richtung einer liberaleren Regierung geebnet schien, ist erneut die sozialistische MAS-Regierung an der Macht. Das Ende von Boliviens kurzer liberaler Etappe unter Añez kommt für viele Außenstehende sehr überraschend. Wenige hätten gedacht, dass eine im Wahlbetrug involvierte Partei so schnell das Vertrauen zurückgewinnen würde. Nun, Bolivien hat den Zeitpunkt für einen politischen und wirtschaftlichen Richtungswechsel verpasst und scheint, Schritte nach vorne zu gehen und das mit dem alten sozialistischen System.

Inmitten der COVID-19 Pandemie erweist sich der jetzige politische Umbruch als eine große Herausforderung für Bolivien. Vor allem in den liberaler geprägten Regionen Santa Cruz, Beni und auch Cochabamba ist es nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses zu großen Protesten gekommen.  Es bleibt abzuwarten, ob Arces neue Regierung an den sozialistischen Ideologien der Ära Evo Morales festhalten, oder mit der liberalen Opposition wirtschaftliche Kompromisse eingehen wird. Arce hatte jedoch erst kürzlich nach seinem Wahlsieg betont, dass er Evo Morales’ politische Ratschläge schätzen würde. In Bolivien zeichnet sich folglich eine Wiederkehr von Morales’ politischer Handschrift ab. Noch befindet sich Morales im politischen Exil in Argentinien, doch eine baldige Rückkehr des polarisierenden Ex-Präsidenten scheint immer näher zu rücken, weil ein bolivianisches Gericht den Haftbefehl gegen Morales erst kürzlich aufgehoben hatte.

Wir möchten darauf hinweisen, dass der Artikel mithilfe von Quellen verfasst wurde und nicht die Meinung oder Sichtweise von Aquisito e.V. abbildet.

Quellen: